Untersucht

Cannabis für medizinische Zwecke Alles im Warenfluss

Neu wird Cannabis für medizinische Zwecke in der Schweiz kontrolliert wie andere Arzneimittel, die dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt sind. Swissmedic wird zuständige Kontrollbehörde für den Anbau und den Warenfluss. Aber auch weitere Aufgaben liegen in der gleichen Zuständigkeit wie bei den anderen betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln. Monika Joos, Leiterin Abteilung Betäubungsmittel bei Swissmedic, klärt auf.

Die Nachfrage nach medizinischem Cannabis in der Schweiz ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen – darauf hat der Bundesrat reagiert. Seit dem 1. August 2022 ist das Verbot von Cannabis für medizinische Zwecke aufgehoben und es wird einem normalen Betäubungsmittel gleichgesetzt: Das bedeutet, kranke Menschen in der Schweiz erhalten erleichterten Zugang zu medizinischem Cannabis.

Neu können Ärztinnen und Ärzte Cannabis-Arzneimittel auf Betäubungsmittelrezept (spezielles Formular für die Verschreibung von Betäubungsmitteln) ohne Ausnahmebewilligung verschreiben. Ausserdem ist der Export von Cannabis für medizinische Zwecke erlaubt – vor dem 1. August 2022 war dies nur begrenzt möglich. Für Cannabis, das nicht medizinisch genutzt wird (zum Beispiel für Pilotversuche), ändert sich hingegen nichts. Es ist weiterhin nur über eine Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) erhältlich.

Für die medizinische Verwendung von Cannabis gilt derselbe gesetzliche Rahmen wie für alle anderen betäubungsmittelhaltigen Arzneimittel – beispielsweise Morphin oder Oxycodon. Basis dafür ist das Heilmittelgesetz. Die zusätzlich im Betäubungsmittelgesetz vorgesehenen Kontrollmassnahmen, die eine Abzweigung und missbräuchliche Verwendung als Droge erschweren sollen, gelten nun auch für medizinisches Cannabis. Generell gilt: Die verschiedenen Zuständigkeiten sind klar geregelt – wie beispielsweise die Verschreibung von zulassungsbefreiten Arzneimitteln oder betäubungsmittelrechtlicher Inspektionen zeigen: Hier sind die Kantone zuständig.

Neu geregelt wurde jedoch der Anbau, weil erstmals in der Schweiz mit dem Anbau von Cannabis eine der drei international kontrollierten Pflanzen (Opiummohn, Cannabis oder Cocastrauch) regulär gepflanzt werden kann. Die Bewilligung und Kontrolle erfolgt durch die sogenannte Cannabis Agency – sie ist in der Abteilung Betäubungsmittel von Swissmedic angesiedelt. «Als verantwortliche Institution erteilen wir Bewilligungen für den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke und nehmen entsprechende Kontrollaufgaben wahr», erklärt Monika Joos, Leiterin Abteilung Betäubungsmittel bei Swissmedic. Sie fährt fort: «Hier geht es in erster Linie darum, Abzweigungen zu erschweren und einen ausreichenden Diebstahlschutz zu gewährleisten. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Verwendung der angebauten Pflanzen für andere Zwecke verhindert werden kann – ebenso wie eine Überproduktion.»

Wie das Anbau-Szenario vor sich geht, erklärt Barbara Walther, stellvertretende Leiterin der Abteilung Betäubungsmittel bei Swissmedic. «Ein Cannabis-Anbauer muss ein Gesuch für eine Bewilligung für medizinisches Cannabis bei uns einreichen. Wir prüfen das Gesuch, und nach erfolgter Inspektion durch den Kanton erteilen wir eine Betriebsbewilligung für den Anbau, sofern alle Anforderungen erfüllt sind.» Für jeden Anbau braucht es eine Einzelanbaubewilligung. Hier wird zum Beispiel auch festgehalten, ob der Anbau indoor oder outdoor passiert. Schliesslich folgt die Absprache mit den Kantonsapothekerinnen bzw. Kantonsapothekern. «Mit ihnen streben wir eine enge Kooperation an – vor allem in Bezug auf die Inspektionen; deren Durchführung liegt in kantonaler Zuständigkeit.»

«Als verantwortliche Institution erteilen wir Bewilligungen für den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke und nehmen entsprechende Kontrollaufgaben wahr.»

Monika Joos

Die ersten Kontakte zu den involvierten Stakeholdern wurden bereits im Dezember 2021 hergestellt. «Wir kontaktierten zuerst die beiden Verbände IG Hanf und IG MedCann und im Anschluss die Anbaubetriebe», erklärt Monika Joos. Im Mai 2022 schliesslich fanden Informationsanlässe für interessierte Betriebe statt. Das Resultat: Über 100 Teilnehmende nahmen die Möglichkeit zu einem ersten Kontakt und Austausch wahr.

Bild Cannabis-Pflanze

Wie aber sieht das Ganze in der Praxis aus? Andreas Althammer, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Swissmedic: «Im Vorfeld zur Gesetzesänderung erhielten wir zahlreiche Anfragen. Mit Inkraftsetzung am 1. August schalteten wir die wichtigsten Informationen auf unserer Webseite auf und informierten zusätzlich über das Swissmedic Journal. Damit wurden bereits viele Fragen beantwortet.» Althammer weiss aber auch: «Die neue Gesetzgebung bietet Chancen zur Weiterentwicklung; insbesondere auch für die Industrie, weil neu auch Exporte möglich sind.»

Ein spezielles Anliegen für die Verantwortlichen war das Bereitstellen einer effizienten Möglichkeit zur elektronischen Gesuchstellung und Datenbearbeitung. Besonders hilfreich dabei war die Möglichkeit des Ausbaus des National Drug Control System (NDS), des von der Abteilung bereits genutzten IT-Systems. Dieses wurde von der UNO speziell für die Betäubungsmittelkontrolle entwickelt und wird von vielen Behörden weltweit verwendet. «In enger Zusammenarbeit mit dem Entwicklerteam der UNO in Wien sowie unserer IT-Abteilung konnten wir die Bewilligungsprozesse für den Anbau ins NDS-System integrieren», beschreibt Kathrin Bur, Fachassistentin bei Swissmedic, den Prozess. Und ergänzt: «Das System ist trotz des engen Zeitplans bereit.»

Auch andere Kooperationen werden nicht nur angestrebt, sondern auch genutzt. «Gerade mit dem BAG tauschen wir uns regelmässig aus, sei es zu Übergangsbestimmungen oder Abgrenzungsfragen. Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Kantonsapothekern wird wichtig bleiben», fasst Barbara Walther zusammen. Zudem haben sich Monika Joos und ihr Team aufgrund der neuen Ausgangslage intern frisch aufgestellt. «Wir haben das Thema medizinisches Cannabis in die Abteilung Betäubungsmittel integriert und nicht auf ein oder zwei Personen begrenzt», erklärt Joos.

Bild Cannabis-Pflanze
Abteilung Betäubungsmittel, von links: Andreas Althammer, Nadja Carrel, Daniela Grütter, Sabine Riesen, Barbara Walther, Monika Joos, Franziska Egger, Andrea Weyermann, Kathrin Bur