Ruth Mosimann ist Leiterin Kontrolle von illegalen Arzneimitteln. Zusammen mit ihrem siebenköpfigen Team ist sie die nationale Kontaktstelle für illegale Heilmittel und arbeitet zusammen mit den kantonalen Kontaktstellen, dem fedpol und weiteren Schweizer Behörden. Die Experten ihres Teams fällen den Entscheid, ob ein Medikament in die Schweiz eingeführt werden kann – oder auch nicht. Unterwegs mit der Expertin.
Bern-Länggasse. An der ruhigen Erlachstrasse empfängt uns Ruth Mosimann im denkmalgeschützten Bau aus den 50er Jahren. Ins Gebäude wird nur gelassen, wer einen offiziellen Termin hat. Ein Teppich in Swissmedic-Rot, drei aufgebockte Zimmerpflanzen, vier bordeauxrote Ledersessel, ein unauffällig weisser Holztisch – Schlichtheit dominiert.
Dem Thema sei Dank: Ruth Mosimann hat sich zu einem medialen Aushängeschild von Swissmedic entwickelt. Zahlreiche themenspezifische Anfragen landen auf dem Tisch der Expertin für Fachfragen von illegalen Medikamenten. Hier eine Antwort für 10 vor 10, da eine Meinung in Form eines Statements in einer Tageszeitung – die Bernerin wird für die Beantwortung von fachspezifischen Inhalten immer wieder gerne befragt: «Das hat sich so ergeben. Wir werden nun halt mal mit diesen oftmals nicht nur angenehmen Themen in Verbindung gebracht – auch wenn dies nicht der Hauptleistung von Swissmedic entspricht.» Mosimann stört es ein wenig, dass die Hauptleistungen des Instituts wie beispielsweise die enormen Efforts im Bereich der Zulassung medial nicht oder zu wenig gewürdigt werden. «Ich finde es manchmal ein bisschen bedauerlich, dass unsere vielen positiven Nachrichten nicht in den Medien vorkommen.»
Wenige Minuten zuvor war Ruth Mosimann mit Inhalten der nationalen Kontaktstelle für illegale Heilmittel beschäftigt. Das sind Hinweise und Anfragen des Zolls, von Privatpersonen oder Firmen. Sie alle landen im Postfach medicrime@swissmedic.ch und werden von den wissenschaftlichen Mitarbeitenden sowie Pharma-Assistentinnen im Team beurteilt und bearbeitet. «Aktuell gab es Fragen betreffend einer Warnung zu einem Schlankheitstee, die wir letzte Woche aufschalteten. Konkret wollte eine Person die genaue Menge, der nicht deklarierten Inhaltsstoffe erfahren. Wir entschlossen uns schliesslich dafür, diese nicht offenzulegen, weil die genauen Laborresultate in der Regel nicht publiziert werden und wir nicht wussten, wer genau hinter der Anfrage steckte.» Ein typischer Fall, den Ruth Mosimann mit ihrem Team bespricht und schliesslich gemeinsam einen Entscheid fällt.
Jetzt führt uns Ruth Mosimann in den Keller; hier werden alle beschlagnahmten Arzneimittel aufbewahrt. Zwei Stockwerke unter dem Erdgeschoss schliesst sie einen gut gesicherten Raum auf – zum Vorschein kommen Hunderte von Medikamenten, die in den vergangenen Wochen und Monaten vom Schweizer Zoll konfisziert wurden. Arzneimittel, die in zu grossen Mengen eingeführt wurden. Pakete mit verdächtiger Ware, die beispielsweise im Verteilzentrum für internationale Post in Zürich-Mülligen vom Zoll abgefangen und an Swissmedic weitergeleitet wurden.
«Die Ware wird hier gelagert, bis das Verfahren gegen den Besteller der Arzneimittel abgeschlossen ist. Dann wird der Inhalt fein säuberlich getrennt und die Verpackung landet schliesslich im Müll, während die Arzneimittel in die Verbrennungsanlage geliefert werden», erzählt Ruth Mosimann. So beispielsweise diese Schlankheitskapseln aus China. Auf der Verpackung steht, dass das Produkt rein pflanzlich basiert ist. In Tat und Wahrheit beinhalten die Kapseln appetithemmende, verbotene Substanzen. Grund genug für Swissmedic, das Paket zu beschlagnahmen.
Eine weitere, schön gestaltete Verpackung; ein Schlankheitstee – diesmal aus Vietnam. «Hierzu gab es zwei Beschwerden aus der Bevölkerung. Eine Konsumentin hatte starke Herz- und Kreislaufprobleme und suchte eine Apotheke auf. Der Apotheker meldete sich anschliessend beim Kantonsapotheker, der das Produkt testete und uns anschliessend informierte. Der Tee wurde innerhalb der Schweiz vertrieben», schildert Ruth Mosimann diesen Fall. Aktuell kann dieses Produkt in der Schweiz nicht mehr erworben werden. In Zusammenarbeit mit den beteiligten Kantonen wurde die Bevölkerung vor den Gefahren des Produktes gewarnt.
Generell werden gerade vermehrt Arzneimittel über Websites oder Social Media verkauft. «Wir sind immer wieder auf Hinweise angewiesen. Es ist ein Glück, wenn sich Betroffene aus der Bevölkerung melden», weiss Ruth Mosimann. Und ergänzt: «Manchmal treffen auch Warnungen aus Nachbarländern bei uns ein. Dann prüfen wir, ob es für das betreffende Produkt auch Schweizer Anbieter gibt.»
«Die Ware wird hier gelagert, bis ein Verfahren abgeschlossen ist.»
Vom Lager an der Erlachstrasse geht’s hinauf in den vierten Stock. Hier hat sich das Team von Ruth Mosimann niedergelassen. Erfahrene wissenschaftliche Mitarbeitende, Assistenten mit grossem pharmazeutischem Wissen – alles Experten, die sich mit gefährlichen Substanzen und illegalen Arzneimitteln bestens auskennen. Ruth Mosimann ist zwar in letzter Instanz verantwortlich für die Kontrolle von illegalen Arzneimitteln – ihre sieben Mitarbeitenden können aber auch selbst entscheiden, ob ein Medikament zulässig ist oder nicht. «Wir sind rund um die Uhr erreichbar und überall involviert. Es kommt zum Beispiel vor, dass jemand abends um 22 Uhr in Zürich-Kloten landet und mehr als die erlaubte Monatsration an Medikamenten einführen will, die offiziell zugelassen ist», beschreibt sie einen möglichen Fall. Hierfür hat Swissmedic einen Pikettdienst eingeführt – schliesslich muss jemand sofort einen ersten Entscheid treffen. Die Expertin ist froh, dass sich auch die Fachleute vom Zoll gut mit dem Thema auskennen und selbst eingreifen können. «Sie haben einfach eine supergute Nase und sind aus meiner Sicht schlicht unschlagbar, wenn es darum geht, verbotene Waren zu entdecken», zeigt sich Ruth Mosimann begeistert. «Was die alles finden, ist erstaunlich. Mittlerweile können sie auch mal selbst an Ort und Stelle ein Strafverfahren eröffnen, wenn jemand ein Medikament in riesigen Mengen importieren wollte.»
«Wir sind immer wieder auf Hinweise von aussen angewiesen.»
Besprechung mit der Pharma-Assistentin Linda Hofmann: Die beiden ziehen sich für einen Moment zurück und besprechen die heutigen Postfach-Eingänge. Hofmann bearbeitet zahlreiche Fälle, bei denen sie selbst entscheiden kann. Manchmal spricht sie sich dabei auch mit den wissenschaftlichen Experten im Team ab. Und ein anderes Mal holt sie sich Rat bei Ruth Mosimann – wie beispielsweise jetzt gerade. Ist die Einfuhr von 3000 mg eines Erektionsförderers namens Kamagra gerade noch zulässig oder nicht? Tatsache ist: Eine Monatsration von 30 Viagra-Tabletten mit je 100 mg dürfen von einem Schweizer für den Eigenbedarf eingeführt werden. Deshalb wird auch die Einfuhr der 3000 mg eines ähnlichen Medikaments erlaubt. «Grundsätzlich stehen alle Regelungen auf unserer Website», so Hofmann. Aber es gibt natürlich kritische Fälle und Präzedenzfälle – hierzu tauschen sich Ruth Mosimann und ihr Team regelmässig aus. Im Fall der Erektionsförderer recherchierte Linda Hofmann die Fakten und bereitete den Fall vor. Der Entscheid ist anschliessend nur noch Formsache.
Zurück an ihrem Arbeitsort in der Abteilung erzählt Ruth Mosimann von den Kooperationen mit den nationalen und internationalen Kontaktstellen. «Wir tauschen uns in Europa regelmässig mit fast hundert Fachleuten aus.» Auch innerhalb der Schweiz treffen sich die behördlichen Fachleute, die sich Face to Face gegenübersitzen und austauschen. Beispielsweise beim jährlichen Medicrime-Meeting: Die Medicrime Konvention des Europarats schreibt ein wirkungsvolles Behörden-Netzwerk vor. «Oder beim regelmässigen Austausch mit der Zollfahndung, der fedpol sowie dem Strafrechtsdienst von Swissmedic – hier treffen wir uns alle zwei Monate und besprechen im kleinen Rahmen aktuelle Fälle und stimmen das weitere Vorgehen gemeinsam ab», erklärt Ruth Mosimann.
«Wir tauschen uns in Europa regelmässig mit fast 100 Fachleuten aus.»
Zeit für einen Standortwechsel: Die Expertin packt ihre Sachen zusammen und macht sich auf den Weg ins nahegelegene Hauptquartier an der Hallerstrasse. Eine Besprechung mit Kommunikationsfachfrau Danila Feldmann steht an. Schnellen Schrittes bekräftigt Ruth Mosimann auf dem Weg die Wichtigkeit des kommunikativen Austauschs: «Wir übernehmen bei der Beantwortung von Anfragen eine grosse Verantwortung, da spielt auch die Kommunikation eine wichtige Rolle.» Jetzt wird wieder der bereits beschriebene Schlankheitstee zum Thema. «Wir müssen uns absprechen, bei welchen Themen wir uns einbringen und bei welchen nicht.
Tee ist im Prinzip ein Lebensmittel und da sind wir nicht zuständig. Die enthaltene Substanz ist jedoch ein Arzneimittelwirkstoff und somit die Abgrenzung der Zuständigkeit schwierig», erklärt Ruth Mosimann. Wichtig ist, dass sich jemand der Sache annimmt. Die grosse Herausforderung ist die Koordination zwischen den einzelnen Stellen. «Hier bin ich froh, dass wir auch intern eng zusammenarbeiten und uns absprechen», so Mosimann. Sagt’s und verabschiedet sich mit einem Lächeln ins Meeting.