Kein unbekannter Impfstoff
Seit Jahren schon wird die mRNA-Technologie weltweit erforscht. Das äusserst effiziente Prinzip ist vor allem aus der Krebsforschung bekannt. Trotzdem gibt es gerade in der Schweiz viele Menschen, die sich davor fürchten, was zu einer bisher doch eher tiefen Impfquote führte. Für das Team Transplantate von Swissmedic zu Unrecht. «Wir haben alle Unterlagen in Bezug auf die Zulassungen sehr sorgfältig geprüft. Sowohl für die gross angelegten, umfangreichen Kurzzeit- wie auch die noch laufenden Langzeitstudien sind keine grossen Risiken zu befürchten. Vor allem ist der Nutzen um einiges grösser als das Risiko.»
Beispiele Lagerung und Laufzeit
Bereits bei der Einreichung der Qualitätsunterlagen vor einem Jahr wurden die vorhandenen Ergebnisse von klinischen Prüfchargen und ersten Produktionschargen miteinander verglichen. Das Resultat: Die Herstellungsprozesse waren äusserst robust. Inzwischen können Ergebnisse von Hunderten von kommerziellen Chargen miteinander verglichen werden und der eingeschlagene Weg hat sich vollumfänglich bewährt. Ein Beispiel: Mit der Ankunft der ersten Impfstoffe wurden diese sicherheitshalber bei Temperaturen von minus 80 Grad Celsius gelagert. Heute liegen viel mehr Daten vor und es reicht, wenn die Impfstoffe bei minus 20 Grad Celsius gelagert werden. Ausserdem bleiben sie auch stabil, wenn man sie einige Tage im Kühlschrank lagert. Heute geht aus den vorhandenen Daten hervor, dass die mRNA-Impfstoffe länger gelagert werden können als ursprünglich bewilligt. Und: Die Stabilitätsstudien laufen weiter – es kommen laufend neue Daten hinzu.
Strenge Überwachung
Klar ist: Nebenwirkungen kann man nicht für die nächsten fünf oder zehn Jahre voraussagen. «So etwas kann man zur Zeit der Zulassung bei keinem einzigen Medikament mit voller Sicherheit prophezeien. Heute wissen wir, dass es in sehr seltenen Fällen zu Herzmuskelentzündungen oder schweren allergischen Reaktionen kommen kann, die aber glücklicherweise allermeistens keinen gravierenden Verlauf nehmen», bestätigt Julia Djonova. Diese Komplikationen kommen sowohl bei einer SARS-CoV-Infektion als auch bei anderen viralen Infektionen vor. Aber: Es wurden zahlreiche unabhängige klinische und präklinische Studien durchgeführt; die Nebenwirkungen wurden in den weltweiten Impfaktionen streng beobachtet und es wurden laufend neue Erkenntnisse gewonnen. «Nach bereits fast einem Jahr Anwendung an mehreren Millionen Menschen sowie dank der enormen Menge an wissenschaftlichen Erkenntnissen kennen wir das Sicherheitsprofil der Impfstoffe bereits gut und sind zuversichtlich, dass keine aussergewöhnlichen Ereignisse vorkommen.»
Individuelle Reaktionen
Die klinischen Zulassungsstudien beruhten auf Untersuchungen an weltweit 40 000 Menschen verschiedener Altersgruppen und mit unterschiedlichen Vorerkrankungen. Natürlich konnten dabei nicht alle Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden. Die individuelle Immunität eines Menschen spielt auch eine grosse Rolle. «Wie eine Person auf den Impfstoff reagiert, ist von vielen Faktoren abhängig; klar ist einzig, dass ein guter Schutz gegen eine schwere Covid-Erkrankung gewährleistet ist», argumentiert Djonova.
Die Pionierleistung
19. Dezember 2020: Swissmedic erteilte als eine der weltweit ersten Behörden die befristete Zulassung für den Pfizer-BioNTech-Impfstoff. «Es war ein rollendes Verfahren und deshalb äusserst anspruchsvoll und zeitintensiv. Die Daten wurden immer wieder tranchenweise geliefert – das hat es für uns nicht gerade einfach gemacht. Am Schluss brauchten wir rund zwei Monate bis zur Erteilung der befristeten Zulassung», erinnert sich Julia Djonova. «Dafür, dass der Impfstoff in so kurzer Zeit zugelassen wurde, gab es verschiedene Gründe: Es wurde einerseits viel Know-how mobilisiert und noch mehr Engagement und Motivation investiert, um möglichst rasch einen Impfstoff zu prüfen und zuzulassen – natürlich ohne Kompromisse bei Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit einzugehen. Auf der anderen Seite haben wir uns mit verschiedensten Experten weltweit ausgetauscht. Dies hat uns erlaubt, extrem effizient zu arbeiten. Und schliesslich sind wir eine relativ kleine, aber schlagkräftige Behörde; die Wege sind kurz, die interdisziplinäre Zusammenarbeit klappte bestens», analysiert Julia Djonova die Gründe für die hohe Effizienz von Swissmedic.
«Die Schweiz hat sich in all den Jahren zu einem wichtigen Kompetenzzentrum für innovative Produkte etabliert.»
Von Impf-Alternativen
Die von Swissmedic zugelassenen Covid-Impfstoffe wurden inzwischen weltweit auch in zahlreichen Ländern zugelassen. Die Akzeptanz ist durchwegs hoch – ebenso die Wirksamkeit. Trotzdem sind Impfstoff-Alternativen in der breiten Öffentlichkeit ein Thema; gerade auch für die Behandlung oder sogar die Prävention von Covid-19. Ob es künftig Alternativen zur Impfung gibt, beurteilt das Team von Julia Djonova kritisch. «Selbstverständlich sind wir bereit, falls beispielsweise Gesuche für Arzneimittel zur Stärkung des Immunsystems oder zum Thema Vorbeugung eintreffen. Das Problem aber ist und bleibt: Wir haben es mit einem Virus zu tun, das die Menschheit bisher nicht kannte. Das Immunsystem vieler Menschen kennt darum keine geeignete Antwort darauf.» Julia Djonova zieht dafür einen Vergleich heran: «Das ist, wie wenn wir plötzlich nur noch arabisch miteinander kommunizieren könnten. Am Anfang wissen und beherrschen wir nichts, danach lernen wir ein Grundvokabular, ein minimales Fundament, mit dem wir uns verständigen können.»
Gesetzliche Grundlagen
Die mRNA-Impfstoffe waren auch für Swissmedic neu. Obwohl für die gesetzliche Basis die gleichen Regeln wie für andere Medikamente gelten (Zulassungs- und Bewilligungspflicht), wurde ein bisher nicht benutztes Prozedere für die Begutachtung angewendet; das rollende Verfahren. Dabei handelt es sich um ein hochdynamisches und anspruchsvolles Prozedere. Anderseits war die mRNA-Technologie aus wissenschaftlicher Sicht kein unbekanntes Gelände, weil diese vom Prinzip her ähnlich wie ein Gentherapeutika funktioniert und hierfür bereits ein breites Fachwissen besteht.
Die Zusatzeffekte
Die Entwicklung des mRNA-Impfstoffs hat gezeigt, dass diese Technologie auch für andere Zwecke verwendet werden kann. «Das ist der grosse Vorteil der weltweiten Entwicklung. Es gibt grosse Hoffnungen, dass diese Technologie auch gegen Alzheimer, HIV, Malaria und insbesondere gegen Krebs eingesetzt werden kann. Wir verfügen heute über extrem viele Sicherheitsdaten, weil der Impfstoff inzwischen bereits an Millionen von Menschen angewendet wurde. Für künftige Entwicklungen muss man ein geeignetes Zielprotein identifizieren – die Anpassung der Impfstoffe ist danach viel einfacher und schneller möglich als mit den bisherigen Technologien.» Julia Djonova und ihr Team weisen darauf hin, dass auch andere gefährliche Krankheitserreger wie Ebola oder Dengue gezielter bekämpft werden können. «Die mRNA-Impfstofftechnologie hat sich durchgesetzt. Bisher wurden nie Schutzwerte von über 90 Prozent erreicht. Das macht uns extrem Mut.»
Kompetenzzentrum Schweiz
Als vor knapp 20 Jahren das SARS-1-Virus entdeckt wurde, gab es weltweit rund 8000 Ansteckungen in 32 Ländern. Bis heute ist nicht klar, warum sich damals nicht mehr Menschen damit ansteckten. «Wir gehen davon aus, dass es weniger infektiös war», erklärt Julia Djonova. Und ergänzt: «Die Biologie des Virus ist nach wie vor nicht voll erforscht. Wir verfügen aber heute über Daten, Erkenntnisse und die Technologie, die uns bei der Bekämpfung dienen. Die Schweiz hat sich in all den Jahren zu einem wichtigen Kompetenzzentrum für innovative Produkte etabliert.»