Globalisiert

Das Swissmedic Engagement Pionierarbeit für Afrika

Entwicklungszusammenarbeit ist für Swissmedic von grosser Bedeutung. Lodovico Paganini erklärt, welche Mehrwerte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit generieren kann, wie Heilmittel schneller zu den Menschen in ärmeren Ländern gelangen können und warum das Engagement von Swissmedic auf dem afrikanischen Kontinent so wichtig ist.

Lodovico Paganini, was kann Swissmedic dazu beitragen, dass Menschen in ärmeren Ländern einen besseren Zugang zu Heilmitteln bekommen?

«Das hängt von verschiedenen Akteuren und Elementen ab, wie beispielsweise der bestehenden Knappheit an Ressourcen und an Personal vor Ort. Grundsätzlich braucht es verbesserte und effektivere Heilmittelbehörden. Dies erfordert unter anderem einen gesetzlichen Rahmen und den Auftrag, auch andere Instrumente einzusetzen, wie zum Beispiel die Arbeitsteilung und die Abstützung auf Begutachtungen anderer Behörden. Weiter braucht es eine enge, internationale Zusammenarbeit und den Austausch zwischen den Behörden. Swissmedic ist in mehreren Gremien auf internationaler Ebene aktiv. Wir helfen mit, die Standards und Prozesse im Bereich der Arzneimittelregulierung zu harmonisieren und im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit unser Know-how zu teilen. So werden in gemeinsamen Arbeitsgruppen verschiedene Guidelines und Wegleitungen erarbeitet.»

Gibt es ein konkretes Beispiel aus der Praxis?

«Seit 2018 führen wir in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sogenannte Regulatory Trainings durch. Dabei erläuterten wir kürzlich ein Fallbeispiel über ein gefälschtes Arzneimittel in einem Land. Zufälligerweise hatte ein Teilnehmer der ägyptischen Heilmittelbehörde genau die gleichen Probleme und wir haben die beiden Behörden vernetzt, damit sie das Problem gemeinsam beheben konnten.»

«In den letzten Jahren wurden grosse Fortschritte erzielt.»
Lodovico Paganini
Was kann man sich unter diesen Regulatory Trainings genau vorstellen?

«Sie finden zweimal jährlich mit Zulassungsbehörden aus der ganzen Welt bei uns in Bern oder während der Pandemie auch virtuell statt. Neben Vorträgen, Diskussionsrunden und Workshops erklären wir diesen Behörden, wie wir unsere Prozesse kontinuierlich verbessern und effizienter gestalten. Dieses Wissen hilft den Vertreterinnen und Vertretern der anderen Behörden, Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen und -massnahmen umzusetzen, indem sie beispielsweise ihre Zulassungsprozesse anpassen. Die Regulatory Trainings werden jeweils eng mit der WHO abgestimmt; da sie den besten Überblick hat, welche Heilmittelbehörde am meisten Unterstützung braucht und sich auch mit einem eigenen Thema einbringen kann. Bisher haben über 250 Teilnehmende aus 65 Länderbehörden teilgenommen. Das Interesse ist gross – auch ausserhalb von Afrika.»

Wie sieht denn die Situation in Bezug auf die Heilmittelbehörden in Afrika aus?

«In den letzten Jahren wurden grosse Fortschritte erzielt. Zwar ist die Afrikanische Heilmittelbehörde AMA noch nicht operativ tätig, aber sie wurde offiziell ins Leben gerufen (siehe Box). Bisher haben 15 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union (AU) einen gemeinsamen Vertrag ratifiziert. Es wird ein grosser Aufwand betrieben, die restlichen Länder ebenfalls zu mobilisieren und zu sensibilisieren. Aber ein solches Unterfangen braucht Geduld und kostet auch Geld.»

Sie waren im Januar in Ghana an einem Kongress der Regulierungsharmonisierung. Wie ist er abgelaufen?

«Diese Veranstaltung findet alle zwei Jahre im Rahmen des African Medicines Regulatory Harmonization Programme (AMRH) statt: Hier treffen sich Führungskräfte, politische Entscheidungsträger sowie regionale Wirtschaftsgemeinschaften aus Afrika. Es ist primär eine afrikanische Zusammenarbeit, auf nationaler, regionaler und kontinentaler Ebene. Es sind aber auch ausländische oder externe Partner involviert, wie beispielsweise Swissmedic oder die europäische Behörde EMA. Die afrikanischen Länder und Regionen erhalten dabei Unterstützung beim Aufbau von wirksamen Regulierungsnetzwerken für Arzneimittel. Ziel des Programms ist es, den Zugang zu lebenswichtigen Arzneimitteln zu verbessern. Wir wurden als technischer Partner eingeladen und beteiligen uns dabei an der Planung und Umsetzung der Aktivitäten der technischen Arbeitsgruppen. Dazu gehören zum Beispiel die Gestaltung von spezifischen Schulungen, die Förderung des Wissensaustauschs oder die Entwicklung von Richtlinien und Arbeitsabläufen.»

Lodovico Paganini
Welches sind aktuell die grössten Herausforderungen in Bezug auf die Heilmittelkontrolle in Afrika?

«Primär geht es darum, den Mangel an Ressourcen zu beheben. Dies beinhaltet den Personalmangel sowie fehlende finanzielle Mittel oder auch die ungünstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dazu kommen auch politische Aspekte, die ein effizientes Vorgehen oftmals verhindern. Es konnten aber bereits bedeutende Fortschritte erzielt werden. So wurden beispielsweise in vielen Ländern die gesetzlichen Anforderungen angepasst.»

Welche Rolle kann Swissmedic in diesem Prozess einnehmen?

«Wir können nicht im Alleingang Projekte implementieren, aber unsere Expertise ist in vielen Prozessen in Bezug auf die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln gefragt. Wir arbeiten beispielsweise eng mit der WHO zusammen – sie hat einen guten Überblick über alle Aktivitäten und involviert uns nach Bedarf. So stimmen wir alle Anfragen mit der WHO ab.»

Swissmedic wurde anlässlich des AMRH zur Vorsitzenden der technischen Partner gewählt. Was bedeutet diese Wahl für Swissmedic?

«Für uns ist es eine Ehre – aber auch eine grosse Verantwortung, weil wir so jetzt einen direkten Einfluss auf die Aktivitätenplanung und die Prioritätensetzung der involvierten Behörden haben. Werden Lücken identifiziert, können gemeinsam mit allen Organisationen, die einen Beitrag bei der Entwicklungszusammenarbeit leisten ­– wie beispielsweise andere Heilmittelbehörden, Stiftungen und internationale Organisationen – die Aktivitäten koordiniert umgesetzt werden. Grundsätzlich geht es darum, dass alle Partner sich mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten einbringen. Swissmedic ist seit 2018 offizielle Partnerin und besucht die Meetings des Lenkungsausschusses des AMRH als Beobachterin. Die Wahl ist ein Beweis für das Vertrauen in unsere Institution und in die humanitäre Tradition der Schweiz.»

Welche anderen Key Player sind noch im Boot?

«Am engsten arbeiten wir mit der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (DEZA), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der Bill&Melinda Gates-Stiftung (BMGF) zusammen. Diese Organisationen sind mit ihrem Engagement sehr stark auf dem afrikanischen Kontinent vertreten und setzen sich für die weltweite Verbesserung der Gesundheitsversorgung und die Bekämpfung von Armut sowie für die Ermöglichung von Bildung ein. Die BMGF hat sehr grosse Erfahrungen mit Regulierungssystemen, und sie finanziert unser Engagement in diesem Bereich. Diese Finanzierungsvereinbarung zwischen Swissmedic und der BMGF sichert eine projektbezogene finanzielle Unterstützung, mit welcher der Zugang zu Heilmitteln in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen verbessert werden soll.

Zudem pflegen wir auch eine enge Kooperation mit den zuständigen Behörden und Organisationen vor Ort, insbesondere der AUDA-NEPAD, der African Union Development Agency – sie ist vergleichbar mit der DEZA in der Schweiz.»

Wie sehen die aktuellen Entwicklungen aus?

«Wir versuchen, die Zulassungsgesuche in den Zielländern zu beschleunigen. Dieses Projekt wurde vor sechs Jahren lanciert und stellt neben den Regulatory Trainings einen Schwerpunkt unserer Bemühungen dar. Das Hauptziel ist, den Patientinnen und Patienten die wichtigen Arzneimittel zur Verfügung zu stellen. Wir haben bislang nur ein einziges Gesuch in diesem Rahmen begutachten und zulassen können – für ein Medikament zur Prävention von Gebärmutterblutungen. Wir hatten neun Behörden eingeladen, sich mit diesem Zulassungsdossier auseinanderzusetzen, mit dem Ziel, ihre Kapazitäten und Vertrauen in den Prozess aufzubauen. Letztlich erreichten wir, dass alle involvierten Behörden innerhalb von durchschnittlich sechs Monaten eine Zulassung in ihrem Land erteilen konnten. Im Vergleich zu den sonst bekannten Zulassungszeiten in Afrika ist das eine sehr kurze Zeit.»

Wo liegen die grössten Potenziale der gesamten Kooperation?

«Sicherlich im Austausch mit den anderen Behörden. Wir sind eine der wenigen Behörden, die eigene Schulungen organisieren. Zurzeit sind wir daran, eine Studie zu finalisieren, welche die Erfolge und Wirkungen der Regulatory Trainings aufzeigt. Damit wollen wir auch andere Behörden aus ressourcenreichen Ländern motivieren, sich aktiv zu involvieren. Swissmedic nimmt in dieser Hinsicht eine Art Pionierrolle ein.»