Massnahmenplan gegen illegale Frischzellen-Therapien abgeschlossen

28.06.2016

Seit Ende 2014 gingen das Bundesamt für Gesundheit BAG und Swissmedic in einem Massnahmenplan gemeinsam mit den Kantonen gegen unzulässige Frischzellen-Therapien vor. Das Fazit zum Abschluss der Aktion: Swissmedic erliess in vier Fällen einen Entscheid gegen Hersteller und Anbieter nicht zugelassener Tiergewebe-Präparate. Drei davon sind noch beim Bundesverwaltungsgericht hängig. 14 Websites wurden wegen irreführenden Anpreisungen beanstandet.

Bei so genannten Frischzellen-Therapien werden den Patientinnen und Patienten meist lebende Zellen junger Kälber oder Lämmer injiziert. Diese Injektionen – meist in den Gesässmuskel – sollen laut Eigenwerbung die Alterung verlangsamen („anti-aging“) oder das Immunsystem stärken. Die Wirksamkeit der Frischzellen-Therapie ist wissenschaftlich nicht erwiesen.

Ab Mitte Juni 2011 wurden via das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) Fragen im Zusammenhang mit dem so genannten Frischzellentourismus aufgeworfen. In China wurde eine zunehmende Anzahl von Visumgesuchen zur medizinischen Behandlung in der Schweiz beobachtet. Allerdings schien der Aufenthaltszweck in den Schweizer Kliniken häufig nicht ganz klar zu sein. Der frei verwendete Begriff der „Frischzellentherapie“ umfasste sehr unterschiedliche Therapieformen, Präparate und Verfahren. Nicht selten war die Rede von „Schafplazenta-Injektionen“, die zu Rejuvenations-Zwecken injiziert wurden. Weder das BAG noch Swissmedic hatten jedoch solche Präparate oder Therapien zugelassen.

Da im Fall eines nicht auszuschliessenden Zwischenfalls mit dieser veralteten und risikoreichen Therapieform mit einem Reputationsschaden des Medizinstandorts Schweiz gerechnet werden musste, nahm sich auf Initiative des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) eine Arbeitsgruppe des Bundes im 2012 dieser Thematik an. Anfang 2014 schlugen Swissmedic und BAG einen Massnahmenplan vor, mit dem gemeinsam mit den Kantonen Klarheit über das Ausmass und die Hintergründe dieser Angebote in diversen Schweizer Kliniken geschaffen werden sollte1. Einbezogen wurden neben den kantonalen Gesundheits- und Wirtschaftsdirektoren auch die Kantonsapotheker und Kantonsärzte. Sie alle begrüssten die Initiative des BAG und der Swissmedic, Schweizer Kliniken über die für solche Therapien geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren und den Einsatz von allfällig nicht zulässigen Arzneimitteln auf der Basis des Heilmittelrechts zu unterbinden.

Vier Kantone meldeten im Sommer 2014 insgesamt 37 Institutionen mit einem potenziellen Angebot von Frischzellen- oder vergleichbaren Therapien [VD (27), VS (6), GE (2) und AR (2)], die in der Folge abgeklärt wurden. Die Institutionen wurden von den Kantonen anhand eines detaillierten Fragebogens zu einer Selbstdeklaration ihrer Tätigkeiten aufgefordert. Die Fragebogen wurden von Swissmedic und dem BAG ausgewertet und mit den Angeboten auf den Websites dieser Institutionen abgeglichen.

Sieben Institutionen stellten schon vor bzw. im Rahmen der Aktion ihre medizinischen Tätigkeiten vollständig ein; bei neun Institutionen konnten keine Hinweise auf relevante Tätigkeiten festgestellt werden. In den restlichen 21 Fällen nahm Swissmedic vertiefte Abklärungen vor, indem die Institutionen zu einer weiteren gezielten Stellungnahme aufgefordert wurden. Erhebungen im Rahmen von Inspektionen ergänzten die Untersuchungen. In einem Fall wurde zusätzlich das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) beigezogen.

Erfreulicherweise zeigten die Abklärungen, dass keine der Institutionen im Rahmen der angebotenen Therapien Präparate im Sinn der ursprünglichen „Frischzellentherapie“ (Präparate aus noch lebenden tierischen Zellen oder Gewebe) hergestellt, importiert oder Patienten injiziert hatte.

Allerdings musste Swissmedic bei 14 Institutionen die dargestellten Angebote auf ihren Websites beanstanden und die Anbieter auffordern, Informationen zu korrigieren und Hinweise auf Frischzell-Therapieangebote zu entfernen.

In fünf Fällen musste festgestellt werden, dass diese Institutionen Frischzellpräparate (FZP), also aus tierischem Gewebe hergestellte Extrakte, herstellen und/oder an ihren Patienten anwenden. Zwei dieser Institutionen stellten die FZP als patientenspezifische Präparate selber her. Eine Institution liess das Präparat bei einem der beiden Hersteller ebenfalls als patientenspezifisches Präparat herstellen, um es dann an ihren Kunden anzuwenden. Im Rahmen der Abklärungen verzichtete diese Institution auf einen weiteren Bezug von Präparaten. Eine weitere Institution liess das Präparat im Auftrag bei pharmazeutischen Herstellern produzieren und wendete es als patientenspezifisches Präparat an. Swissmedic erliess gegen diese Institutionen drei entsprechende Verfügungsentscheide, um aufgrund der von Swissmedic geltend gemachten, aber nicht eingehaltenen Zulassungspflicht dieser Präparate, die Herstellung bzw. Anwendung zu unterbinden. Gegen diese Verfügungen wurden beim Bundesverwaltungsgericht (BVG) Beschwerden eingereicht. Die Entscheide des BVG sind noch hängig.

Die Abklärungen im fünften Fall ergaben, dass das oral eingenommene Präparat in diesem Fall nicht als Arzneimittel hergestellt bzw. eingesetzt oder angepriesen wird und deshalb nicht unter das Heilmittelgesetz fällt. Swissmedic hat abschliessend rechtskräftig verfügt, dass es sich bei dem eingesetzten Präparat nicht um ein Arzneimittel handelt und dass daher auch eine Anpreisung oder ein Einsatz des Präparates als Arzneimittel ausgeschlossen ist. Das Dossier wurde an die zuständigen kantonalen Stellen überwiesen, um die Verkehrsfähigkeit gemäss dem Lebensmittelrecht feststellen zu lassen.

In zwei Fällen gaben die Kliniken an, dass sie gelegentlich in der Schweiz nicht zugelassene FZP aus dem Ausland importieren und dann im Rahmen ihrer Therapien einsetzen. Sofern im Zuständigkeitsbereich von Swissmedic wurden in der Folge neu eingehende entsprechende Gesuche zum Import von nicht zugelassenen Arzneimitteln unterbunden. Die Aktion zeigte auch in mindestens fünf Fällen auf, dass Medizinalpersonen vermutlich ordentlich zugelassene Arzneimittel ausserhalb der von Swissmedic zugelassenen Bedingungen einsetzten (so genannter Off-Label-Use). Da die Überwachung der ärztlichen Praxis und der Abgabe bzw. des Einsatzes von Arzneimitteln in der Zuständigkeit der Kantone liegt, sind die Kantone für das Ergreifen weiterer Massnahmen zuständig.

Unabhängig von der Aktion ermittelt Swissmedic weiterhin parallel in verschiedenen Strafrechtsverfahren gegen strafbare Widerhandlungen gegen das Heilmittelgesetz. Diese Verfahren werden weitergeführt.

Insgesamt bewirkte die Aktion eine Sensibilisierung der Branche und einzelner Fachgesellschaften auf die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Ein positives Feedback und grosses Interesse war auch bei ausländischen Behörden und Medien zu beobachten. Neben zahlreichen Schweizer Medien berichteten insbesondere auch die grössten chinesischen TV-Stationen und Nachrichtenagenturen ausführlich über die Aktion der Schweizer Behörden. Ob sich die in den letzten zwei Jahren beobachtete signifikante Abnahme der Visaanträge aus China für medizinische Behandlungen in der Schweiz erklären lassen, welche zwischen 2013 von durchschnittlich 1'000 Anträgen pro Jahr auf ca. 300 Anträge im 2015 abgenommen haben, muss offen gelassen werden.

Die Aktion des BAG und der Swissmedic gegen illegale Therapieangebote mit Frischzellen und nicht zugelassenen Frischzellenpräparaten wird nun abgeschlossen und in ein ständiges Monitoring solcher Therapieangebote durch Bund und Kantone übergeleitet. Dabei kommt der kantonalen Überwachung einer gesetzmässigen Anwendung von Arzneimitteln durch Medizinalpersonen eine wichtige Rolle zu.


1 Massnahmen gegen illegale Therapieangebote mit Frischzellen und nicht zugelassenen Frischzellenpräparaten. Swissmedic Journal 03/2015 und Bulletin BAG Nr. 15 vom 8. April 2015

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