Arzneimittel in Kombination mit Bendamustin und Rituximab zur Krebsbehandlung bei Erwachsenen mit rezidivierendem oder refraktärem diffusem grosszelligen B-Zell-Lymphom, die sich nicht für eine Stammzelltransplantation eignen
Public Summary SwissPAR vom 15.10.2021
Polivy® (Wirkstoff: Polatuzumab vedotin)
Erstzulassung in der Schweiz: 15.06.2021
Über das Arzneimittel
Polivy ist ein Krebsmedikament mit dem Wirkstoff Polatuzumab vedotin. Es ist ein Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, welche in die Venen verabreicht wird.
Die Therapie mit Polivy wird angewendet, um eine Art von Krebs mit der Bezeichnung «diffuses grosszelliges B-Zell-Lymphom» (DLBCL) bei Erwachsenen zu behandeln. Das DLBCL ist eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems[1], die von den reifen B-Lymphozyten (weisse Blutkörperchen) ausgeht.
Polivy kommt zur Anwendung bei rezidivierenden (wiederauftretenden) oder refraktären[2] Lymphomen und bei Patientinnen und Patienten, die sich nicht für eine Stammzelltransplantation eignen.
Die Behandlung mit Polivy erfolgt in Kombination mit zwei Krebsmedikamenten mit den Wirkstoffen Bendamustin und Rituximab.
Da es sich bei dieser Krankheit um eine seltene Krankheit handelt, wurde das Arzneimittel als «Orphan Drug» zugelassen. Mit «Orphan Drug» werden wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet, die spezielle Nachweise erfüllen.
[1]Lymphatisches System: Das lymphatische System erfasst alle Lymphbahnen im Körper sowie die lymphatischen Organe wie die Lymphknoten, die Milz, die lymphatischen Gewebe im Magen-Darm-Trakt und im Rachen, sowie die Thymusdrüse.
[2] Refraktär: Refraktär bedeutet in Bezug auf eine Krebserkrankung, dass der Krebs gegenüber der Behandlung resistent ist und sich die Erkrankung trotz Behandlung nicht zurückbildet und sogar weiter fortschreiten kann.
Wirkung
Der Wirkstoff von Polivy, Polatuzumab vedotin, gehört zur neuen Klasse der Antikörper-Arzneimittel-Konjugate (ADC). Er besteht aus einem monoklonalen Antikörper (immunologisch aktive Proteine), der mit der Substanz Monomethyl-Auristatin E (MMAE) verbunden ist. MMAE ist ein Cytotoxin (Zellgift), das Krebszellen abtöten kann. Der monoklonale Antikörper bindet an einen spezifischen Rezeptor (Zielstelle) auf den B-Zellen, wodurch MMAE in die Zellen freigesetzt wird. Dadurch wird die Teilung der B-Zellen gestoppt und das Krebswachstum gehemmt.
Anwendung
Polivy ist rezeptpflichtig und ist als Pulver zur Herstellung eines Infusionslösungskonzentrats mit einer Dosis von 30 mg oder 140 mg Wirkstoff verfügbar. Es wird mit der empfohlenen Dosis von 1,8 mg/kg Körpergewicht als intravenöse Infusion verabreicht.
Die Einnahme erfolgt alle 21 Tage in Kombination mit Bendamustin und Rituximab über 6 Zyklen. Die Patientinnen und Patienten sollten während und nach der Infusion auf Infusionsreaktionen hin überwacht werden.
Zur Verringerung des Risikos von Reaktionen auf die Infusion erhalten Patientinnen und Patienten bestimmte anti-allergische Medikamente vor Verabreichung der Infusion.
Während der Behandlung besteht das Risiko einer Neutropenie (sehr niedrige Anzahl einer bestimmten Gruppe von weissen Blutkörperchen). Eine schwere Neutropenie erhöht das Risiko einer Infektion. Aus diesem Grund muss während der Behandlung regelmässig das Blutbild überwacht werden.
Wirksamkeit
Die Grundlage für die Beurteilung der Wirksamkeit von Polivy war die Studie GO29365. An dieser Studie nahmen 80 Patientinnen und Patienten mit DLBCL teil, die nicht für eine Stammzelltransplantation geeignet waren und die auf mindestens eine vorhergehende Therapie entweder nicht angesprochen oder einen Rückfall der Erkrankung hatten. Die Hälfte der Patientinnen und Patienten wurden mit Polivy in Kombination mit Bendamustin und Rituximab behandelt und die andere Hälfte mit Bendamustin und Rituximab alleine.
6-8 Wochen nach dem letzten Behandlungszyklus zeigten 42.5 % der Patientinnen und Patienten, die Polivy in Kombination mit Bendamustin und Rituximab erhielten, keine Anzeichen von Krebs (vollständiges Ansprechen), verglichen mit 17.5 % der Patientinnen und Patienten, die Rituximab und Bendamustin alleine erhielten.
Das mediane[1] progressionsfreie Überleben (PFS[2]) und das mediane Gesamtüberleben[3], waren bei Patientinnen und Patienten, die Polivy in Kombination mit Bendamustin und Rituximab erhielten, besser, als bei jenen Patientinnen und Patienten, die Bendamustin und Rituximab ohne Polivy erhielten.
[1] Median: Der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt, nennt sich Median oder Zentralwert. Die eine Hälfte aller Daten ist immer kleiner, die andere grösser als der Median.
[2] PFS: Progressionsfreies Überleben (PFS, progression-free survival): Zeitspanne zwischen dem Start einer Behandlung oder einer klinischen Studie und dem Beginn des Fortschreitens der Krankheit oder dem Tod der Patientin oder des Patienten.
[3] Gesamtüberleben: Das Gesamtüberleben bezeichnet die Zeitspanne zwischen Therapiebeginn und Tod des Patienten bzw. der Patientin.
Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken
Polivy darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff, einem der Hilfsstoffe oder gegenüber den Kombinationsmedikamenten nicht angewendet werden.
Polivy kann schwere Nebenwirkungen verursachen. Die häufigsten (betrifft mehr als einen von 10 Patientinnen/Patienten) unerwünschten Wirkungen sind Anämien (geringe Anzahl roter Blutkörperchen), Thrombozytopenie (geringe Anzahl Blutplättchen), Neutropenie (geringe Anzahl weisser Blutkörperchen), sowie Durchfall, Übelkeit, Müdigkeit und periphere Neuropathie (Störungen der peripheren Nerven).
Unter Anwendung von Polivy sind weitere, relevante Nebenwirkungen aufgetreten (z. B. Lungenentzündung, Fieber).
Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Patientinnen- und Patienteninformation (Packungsbeilage) sowie in der Fachinformation aufgeführt.
Begründung des Zulassungsentscheids
In der beschriebenen klinischen Studie konnte bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit DLBCL ein klarer Nutzen von Polivy gegenüber der Behandlung ohne
Polivy aufgezeigt werden. Die Nutzen-Risiko-Bewertung ist positiv für Patientinnen und Patienten, die nicht geeignet sind für eine Stammzelltransplantation und auf mindestens eine vorhergehende Therapie entweder nicht angesprochen oder einen Rückfall der Erkrankung hatten.
Schwere Nebenwirkungen können auftreten, sind zumeist jedoch mit geeigneten Massnahmen behandelbar.
Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Daten überwiegen die Vorteile von Polivy die Risiken. Swissmedic hat daher das Arzneimittel Polivy mit dem Wirkstoff Polatuzumab vedotin für die oben genannte Indikation für die Schweiz zugelassen.
Weitere Informationen zum Arzneimittel
Zum Zeitpunkt der Publikation des Public Summary SwissPAR zu Polivy sind die Fachinformation sowie die Patientinnen- und Patienteninformation (Packungsbeilage) noch nicht verfügbar. Sobald das Arzneimittel in der Schweiz erhältlich ist, werden die Fach- und Patientinnen- und Patienteninformation auf folgender Seite im Internet zur Verfügung gestellt: www.swissmedicinfo.ch
Fragen zum Arzneimittel beantwortet das medizinische Fachpersonal (Arzt/Ärztin, Apotheker/Apothekerin und andere).
Der Stand dieser Information entspricht demjenigen des SwissPAR. Neue Erkenntnisse über das zugelassene Arzneimittel fliessen nicht in den Public Summary SwissPAR ein.
In der Schweiz zugelassene Arzneimittel werden von Swissmedic überwacht. Bei neu festgestellten unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder anderen sicherheitsrelevanten Signalen leitet Swissmedic die notwendigen Massnahmen ein. Neue Erkenntnisse, welche die Qualität, die Wirkung oder die Sicherheit dieses Medikaments beeinträchtigen könnten, werden von Swissmedic erfasst und publiziert. Bei Bedarf wird die Arzneimittelinformation angepasst.
Letzte Änderung 15.10.2021