Die Europäische Pharmakopöe schafft Kaninchenversuche ab

Pyrogentests ohne Kaninchen: Das Europäische Arzneibuch verzichtet neu auf Tierversuche

11.07.2024

Die Europäische Pharmakopöe (Ph. Eur.) setzt einen wegweisenden Standard in der Pyrogenprüfung: Der traditionelle Rabbit Pyrogen Test (RPT) wird abgeschafft. Diese Entscheidung setzt neue ethische Massstäbe und fördert die Entwicklung innovativer In-vitro-Alternativen wie bspw. des Monozyten-Aktivierungstests (MAT).

Seit den 1940er Jahren galt der Kaninchentest als Standardmethode zum Nachweis von Pyrogenen in pharmazeutischen Präparaten, die zur Injektion, Infusion oder Implantation am Menschen vorgesehen sind. Dabei wurde Kaninchen eine zu testende Substanz intravenös verabreicht, um festzustellen, ob deren Körpertemperatur ansteigt – ein potenzielles Anzeichen für pyrogene Substanzen; also Substanzen, die Fieber verursachen, und bei Patientinnen und Patienten schwerwiegende gesundheitliche Probleme verursachen könnten.

Seit seiner erstmaligen Veröffentlichung 1986 in der Ph. Eur. war der Kaninchen-Test als gängigste Methode zum Nachweis von Pyrogenen etabliert. Trotz seiner historischen Bedeutung hat sich die Schweizer Delegation in der Europäischen Pharmakopöekommission seit vielen Jahren aktiv für den Ersatz des RPT durch fortschrittlichere und vor allem ethischere In-vitro-Alternativen eingesetzt.

Seit 1986 arbeitet die Europäische Pharmakopöekommission kontinuierlich an der Umsetzung ihrer «3-R-Strategie» und an der Entwicklung alternativer Methoden. Die drei R stehen dabei für replace (ersetzen), reduce (verringern) und refine (verfeinern). 2021 beschloss die Kommission, den RPT innerhalb von fünf Jahren vollständig durch fortschrittliche In-vitro-Tests wie den Monozyten-Aktivierungstest (MAT) zu ersetzen.

In ihrer 179. Sitzung verabschiedete die Europäische Pharmakopöekommission im Juni 2024 die Streichung des Kaninchentests aus allen Vorschriften. Die überarbeiteten Texte werden im Nachtrag 11.8 der Europäischen Pharmakopöe veröffentlicht und treten am 1. Juli 2025 in Kraft. Damit wird die Verwendung des RPT in keinem Text der Europäischen Pharmakopöe mehr verlangt. Diese Neuerungen bedeuten einen massgeblichen Fortschritt im Tierschutz und haben eine starke globale Signalwirkung.

Die Ph. Eur. wird unter der Ägide des Europarates erarbeitet. Die Ausarbeitung liegt in der Verantwortung der Europäische Pharmakopöekommission, welche sich aus den Delegationen der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Die Schweizer Delegation besteht aus drei Mitgliedern und wird vom Abteilungsleiter der Abteilung Pharmakopöe von Swissmedic angeführt.

Wie andere Staaten erarbeitet die Schweiz auch eine eigene Pharmakopöe: die Pharmacopoeia Helvetica (Ph. Helv.). Die Texte der Ph. Eur. bilden die Basis für die Ph. Helv. Die Schweizer Pharmakopöe beinhaltet darüber hinaus Vorschriften, die lediglich von nationaler Relevanz sind.