In den letzten Jahren sind zunehmend neue Therapiekonzepte mit Produkten entwickelt worden, welche aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer biologischen Charakteristiken nicht wie industriell hergestellte Arzneimittel standardisiert sind, sondern als patientenspezifische Präparate hergestellt werden. Häufig werden dazu auch körpereigene Substanzen der Patientinnen oder Patienten, bzw. des Tieres, zu einem Produkt verarbeitet und die daraus hergestellten Präparate anschliessend an der gleichen Person oder an einer kleinen Anzahl Patientinnen und Patienten eingesetzt. Diese Präparate wurden schon immer als Arzneimittel eingestuft und unterliegen demnach grundsätzlich der Zulassungspflicht nach Artikel 9 Absatz 1 Heilmittelgesetz (HMG, SR812.21) sofern sie nicht unter die Ausnahmeregelung nach Artikel 9 Absatz 2 HMG fallen. Unter die Ausnahmeregelung fallen sämtliche Formula-Arzneimittel, die klinischen Prüfpräparate sowie die nichtstandardisierbaren Arzneimittel.
Mit der Revision des Heilmittelgesetzes auf Anfang 2019 weitete der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Einstufung von Präparaten als nichtstandardisierbare Arzneimittel aus. Daher ist es nun möglich, gewisse patientenspezifische Präparate heilmittelrechtlich neu als nichtstandardisierbare Arzneimittel nach Art. 9 Abs. 2 Bst. e HMG zu klassifizieren.
Nichtstandardisierbare Arzneimittel
Patientenspezifische Präparate sind oft z.B. aufgrund ihrer Herkunft und biologischen Variabilität, nicht gleichermassen standardisierbar wie die normalen Arzneimittel. Sie entsprechen jedoch nicht den Definitionen von Formula-Arzneimitteln, indem sie zwar auch auf Verschreibung patienten-spezifisch hergestellt, im Gegensatz zu Formula-Präparaten aber in der Regel nach einem standardisierten Prozess gewonnen und/oder hergestellt werden. Ihre Herstellung erfolgt meist nicht in öffentlichen Apotheken oder Spitalapotheken, wie dies für Formula-Präparate gilt.
Präparate oder Präparategruppen, die aktuell nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e HMG als nichtstandardisierbare Arzneimittel eingestuft werden, sind:
- Labile Blutprodukte, wie Erythrozytenkonzentrate, Plasma zur Transfusion, Thrombozytenkonzentrate
- Serum-Augentropfen
- Organzellextrakte tierischen Ursprungs
- Fäkal-Mikrobiom-Präparate (eines oder einiger gesunder Spender für vordefinierte Patienten)
- Plättchenreiches Plasma (PRP)
- Plättchenreiches Fibrinogen
- Orthokin
- Bestandesspezifische Tier-Autovakzinen
Nicht aufgeführt sind hier nichtstandardisierbare Transplantatprodukte.
Diese neue Klassifizierung ersetzt eine frühere Interpretation und heilmittelrechtliche Einstufung von gewissen Eigenserumpräparaten (vgl. Swissmedic Journal 4/2012 (PDF, 618 kB, 03.05.2012), S.334 f.).
Die Herstellung und Abgabe nichtstandardisierbarer Arzneimittel, die weder hier noch in der Liste nach Anhang 3 Verordnung über die vereinfachte Zulassung von Arzneimitteln und die Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren (VAZV; SR812.212.23) aufgeführt sind, ist jedoch der behördlichen Aufsicht nicht entzogen, sondern deren Herstellung unterliegt kantonalen Anforderungen.
Betriebsbewilligung für die Herstellung von nichtstandardisierbaren Arzneimitteln
Da sich nichtstandardisierbare Arzneimittel klar von Formula-Präparaten abgrenzen, bedarf ihre Herstellung und Inverkehrbringen einer Betriebsbewilligung von Swissmedic. Bei der Herstellung sind die GMP-Vorgaben gemäss Anhang 1 Verordnung über die Bewilligungen im Arzneimittelbereich (AMBV; SR 812.212.1) einzuhalten.
Zulassungspflicht für Gewinnungs- und Herstellungsverfahren
Aufgrund der Revision des Heilmittelgesetzes bezeichnet Swissmedic gewisse nichtstandardisierbare Arzneimittel mit einem ungenügend bekannten Sicherheits- oder Wirksamkeitsprofil, oder bei einem erhöhten Risiko aufgrund ihrer Zusammensetzung, Dosierung oder Applikation. Zum Schutz der Patientinnen und Patienten oder der Tiere wurde eine neue Zulassungspflicht für gewisse nichtstandardisierbare Arzneimittel eingeführt. In Anhang 3 VAZV findet sich eine Liste derjenigen Arzneimittel, deren Gewinnungs- oder Herstellungsverfahren ab 01.07.2020 einer Zulassungspflicht unterstellt wurde. Die Liste wird von Swissmedic publiziert.