Arzneimittel-Wechselwirkungen von Paxlovid (Nirmatrelvir/Ritonavir) mit bestimmten Immunsuppressiva
Arzneimittel-Wechselwirkungen von Paxlovid (Nirmatrelvir/Ritonavir) mit bestimmten Immunsuppressiva
Paxlovid wird angewendet für die Behandlung der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) bei Erwachsenen, die keine Sauerstofftherapie oder Hospitalisierung aufgrund von COVID-19 benötigen und bei denen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 besteht. Paxlovid (Nirmatrelvir/Ritonavir) ist ein starker CYP3A Inhibitor.
Dieser Wirkmechanismus verlangt bei gleichzeitigem Einsatz anderer Arzneimittel besondere Aufmerksamkeit. Arzneimittel mit stark CYP3A-abhängiger Clearance – dazu zählen u.a. Onkologika wie Venetoclax, Immunsuppressiva (z.B. Tacrolimus), Statine wie Simvastatin und Antipsychotika wie Clozapin – sind mit der Paxlovidgabe kontraindiziert.
Paxlovid, CYP3A4, Inhibitoren, Tacrolimus, enge therapeutische Breite, Trazodon, Ritonavir, Nirmatrelvir, Covid-19
Daten Ereignis |
Beschreibung |
Fall: 2022 Altersgruppe: 25-55 Jahre Geschlecht: weiblich Arzneimittel: Paxlovid®, Advagraf™ Wirkstoffe: Nirmatrelvir/Ritonavir, Tacrolimus Indikation: Covid-19 Infekt (Paxlovid®); Prophylaxe einer Transplantatabstossung (Advagraf™) UAW: pharmakokinetische Interaktion, Hypertonie, Kopfschmerzen Outcome: recovering |
Nach einer Herztransplantation vor 10 Jahren wurde die Patientin u.a. mit Tacrolimus und Azathioprin behandelt. Wegen eines positiven SARS-Cov-2 Befunds wurde gleichentags eine ambulante Behandlung mit Paxlovid begonnen. Die Dosierung von Tacrolimus wurde dabei unverändert belassen. Die Patientin entwickelte starke Kopfschmerzen und stellte sich notfallmässig vor. Bei der Aufnahme waren ihre Blutdruckwerte deutlich erhöht. Der übrige klinische Befund war unauffällig. Der Tacrolimus Spiegel war im Vergleich zu den Vorwerten 10-fach erhöht. Tacrolimus wurde daraufhin pausiert und Paxlovid gestoppt. Während der Hospitalisation sank der Tacrolimus Spiegel, war aber vier Tage nach Absetzen immer noch erhöht. Das klinische Bild der Patientin verbesserte sich im weiteren Verlauf. |
Fall: 2022 Altersgruppe: >65 Jahre Geschlecht: männlich Arzneimittel: Paxlovid®, Prograf™, Trittico® Wirkstoffe: Nirmatrelvir/Ritonavir, Tacrolimus, Trazodon Indikation: Covid-19 Infekt (Paxlovid®); Prophylaxe einer Transplantatabstossung (Prograf™); Depression (Trittico®) UAW: Acute on chronic Niereninsuffizienz, Hyperkaliämie, QTc Zeit Verlängerung, metabolische Azidose, pharmakokinetische Interaktion Outcome: recovered |
Im Verlauf eines Spitalaufenthaltes aufgrund einer Urosepsis wurde bei dem Patienten eine COVID-19 Infektion festgestellt und eine Therapie mit Paxlovid begonnen. Zwei Tage nach Beginn dieser Therapie wurde ein erhöhter Tacrolimusspiegel bestimmt. Der Patient entwickelte eine zunehmende acute on chronic Niereninsuffizienz mit schwerer Hyperkaliämie, metabolischer Azidose und beginnenden EKG-Veränderungen, sodass eine Notfalldialyse notwendig wurde. Paxlovid wurde gestoppt und die Therapie mit Tacrolimus und Trazodon pausiert. Als Ursache der Symptome wurde eine akute Toxizität von Tacrolimus und Trazodon im Rahmen einer pharmakokinetischen Interaktion mit Paxlovid angenommen. |
Fazit und Empfehlung
Als starker Inhibitor von CYP3A kann Paxlovid die Clearance von CYP3A-Substraten deutlich hemmen. Die dadurch erhöhten Spiegel können vor allem bei Medikamenten mit enger therapeutischer Breite zu schwerwiegenden teilweise lebensbedrohlichen Reaktionen führen. Unter anderem ist dadurch bei gleichzeitiger Gabe von Immunsuppressiva wie Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin, Tacrolimus) und mTOR-Inhibitoren (Everolimus und Sirolimus) Vorsicht geboten.
Unter Tacrolimus wurden Fälle mit einem sehr schnellen, starken Anstieg des Tacrolimus-Spiegels bereits innerhalb von 1–3 Tagen nach gleichzeitiger Verwendung mit einem starken CYP3A-Inhibitor und trotz sofortiger Reduktion der Tacrolimus-Dosis berichtet. Daher wird nachdrücklich empfohlen früh, also in den ersten Tagen einer gleichzeitigen Verwendung, den Tacrolimus-Spiegel im Blut und die Nierenfunktion zu überwachen, sowie den Patienten auf eine QT-Verlängerung im Elektrokardiogramm und das Auftreten anderer Nebenwirkungen hin zu beobachten.
CYP3A4-Hemmer können ebenfalls zu wesentlichen Erhöhungen der Plasma-Konzentrationen von Trazodon führen. Studien mit gesunden Patienten zeigten, dass sich bei der Verabreichung von 200 mg Ritonavir 2x tgl. die Plasma-Konzentration von Trazodon mehr als verdoppelte, was zu Übelkeit, Synkopen und Hypotonie führte. Falls Trazodon zusammen mit einem starken CYP3A4-Hemmer verabreicht wird, sollten niedrigere Dosen von Trazodon in Betracht gezogen werden. In schwereren Fällen kommt es zu Koma, Tachykardie, Hypotonie, Hyponatriämie, Konvulsionen und Atemstillstand. Mögliche Symptome im Bereich des Herzens sind Bradykardie, Verlängerung des QT-Intervalls und Torsade-de-Pointes-Tachykardie. Die Symptome können innert 24 Stunden nach der Überdosierung oder später auftreten.
Gesetzliche Meldepflicht unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) durch medizinische Fachpersonen
In der Schweiz müssen medizinische Fachpersonen, die zur Abgabe oder Anwendung von Arzneimitteln berechtigt sind, schwerwiegende und/oder bislang nicht bekannte Nebenwirkungen melden. Meldungen an Swissmedic können mit dem Elektronischen Vigilance-Meldeportal «ElViS» erfasst und übermittelt werden (ElViS-Login).